Pressestimmen
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Laudatio im Rathaus von Bobenheim-Roxheim von Paul Platz, 14.10.2005:

Ausstellungseröffnung Christine Hohmann

Diese Passage aus "Berlin Alexanderplatz" von Alfred Döblin fiel mir ein, als ich die Bilder von Christine Hohmann sah, und sie mir dabei von ihrer Arbeit berichtete.
Die Vielfalt der Großstadt, der Gang durch die Straßen und über die Plätze der Metropole, die Eindrücke, die sie selber jetzt, viele Jahre später, in ihren Stadtfassaden eingefangen hat. Dabei interpretiert sie nicht nur Berlin, auch andere Städte und Kommunen werden auf diese Weise potraitiert. Wir erkennen goemetrische Formen, zusammengefügt und aneinandergereiht, sie geben sich als Balken, als Fachwerk zu erkennen; andere Abblildungen mit Rundbögen in dünne Linien gefasst, lassen sich schnell als Rudimente von Kathedralen, Synagogen und Moscheen identifizieren.
Gerne tauchen Worte, Sätze auf, es sind Reste, Schnipsel von Plakaten, die sie collagenhaft in die Mischtechnik aus Acryl, Aquarellstiften oder Ölfarben einarbeitet.
Die Fassaden werden so aus ihrer Anonymität herausgeholt, Interpretationen werden möglich, hinter der vordergründigen Architektur versteckt sich mehr als das reine brüchige Material. Und wenn sie dann Gesichter zwischen Schriftfetzen und Vorderfronten setzt, verbinden sich die unterschiedlichen Teile zu einer besonderen Aussageabsicht.
Christine Hohmann sah auf ihren zahlreichen Städtereisen viele Gebäude, deren Fassaden wild plakatiert waren, sie entdeckte dabei Parallelen und Bezüge, manche Aushänge passten mit ihrem Inhalt, ihrer Aussage, auch mit ihrer Farbe und Gestaltung zum Haus, zu seinen Bewohnern, zum Stadtviertel.
Ein neues, faszinierendes Themengebiet tat sich so für die umtriebige Künstlerin auf, für die das Thema Stadt ja schon seit langem ein interessantes und vielfältiges Betätigungsfeld bietet. Erinnern wir uns an ihre Telefonhausaktion in Ludwigshafen, wo sie eine Telefonzelle am Wittelsbachplatz mit Blumen, alten Fotos und bunten Schleifen drapierte und damit das leere, funktionslose Häuschen mit neuem Leben, als Ort der wiedererweckten Kommunikation erfüllte. Oder ihre Fotocollagen vor ein paar Jahren, die komprimiert typische und untypische Stadthäuser aus den vergangenen zwei Jahrhunderten aus Ludwigshafen zeigten. Durch Zusammenfügung der einzelnen Gebäude entstand ein ungewohntes und sehr lebendiges Stadtbild, ein eigenwilliges Bild der Stadt, das sonst nicht in dieser Form wahrgenommen wird.
Die Stadt übe eine große Faszination auf sie aus, beschreibt die Ludwigshafener Künstlerin ihre Themenwahl: "Hier laufen viele Menschenschicksale zusammen, pulsiert Leben, findet Kommunikation statt."
Zurück zu den anderen, den eher monochromen Arbeiten hier, die farblich und nur auf den ersten Blick im kompletten Kontrast zu den besprochenen Stadtfassaden stehen; die Künstlerin bleibt aber ihrem Sujet treu. Waren ihre Blicke bei der Suche nach Fassaden und Plakaten immer nach oben gerichtet, lenkt sie jetzt ihren Blick nach unten, auf den Gehweg, die Straßen. Und diese andere Perspektive biete mindestens genauso viel Neues, Interessantes, Außergewöhnliches. Nur mit weichem Graphitstift und Papier bewaffnet, rubbelt sie die zahlreichen wie unterschiedlichen Muster auf dem Boden ab; Sie kennen diese Technik. Als Kinder hat man eine Münze auf das weiße Papier geschoben, um dann mit dem Bleistift die Konturen scharf zu schraffieren.
Hier sind das aber andere Dimensionen: Kanaldeckel, verschiedene Pflasterarten und -formen, Fußabstreifer. Sie erarbeitet Ausschnitte, fügt sie zu großen Komplexen zusammen, verfremdet die Schraffuren, schwärzt Teile ein. Eine enorme Formenvielfalt entwickelt und zeigt sich so auf den Bildern, es entstehen vielfältige schwarz-weiße Arabesken, Kompositionen, die nur vom reinen ästetischen Spiel der zahllosen Formen leben.
Christine Hohmann präsentiert folglich hier mehr als nur Stadtfassaden, sie beleuchtet, sie sammelt längst Vergangenes, sie interpretiert Ggenwärtiges, stellt die Stadt aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln dar und vor, den Organismus, in dem die Menschen leben, sowohl diejenigen, die die Stadt prägen, wie auch die, die von ihnen geprägt werden.
Ihre Bilder erzählen Geschichten aus dieser Stadt, nicht eine, sondern für jeden Betrachter eien eigene, eine neue.
"Und doch freut man sich, wenn das schöne Licht da ist, weiß und stark, und kommt auf den Straßen; in den Zimmern erwachen alle Farben, und die Gesichter sind da, die Züge. Es ist wohlig, Formen zu tasten mit den Händen, aber es ist ein Glück, zu sehe, zu sehen, Farben zu sehen, Linien."
Paul Platz